Seit dem berühmten Reaktorunfall in Tschernobyl ist eine große Menge an in der Umgebung gewachsenem Gemüse verstrahlt. Insbesondere Pilze scheinen die Radioaktivität magisch anzuziehen.
Ab welchem Wert eine solche Verstrahlung für den Menschen gefährlich ist, konnte noch nicht einheitlich geklärt werden: Die Werte für die tolerierte radioaktive Belastung von Lebensmitteln schwanken nicht nur weltweit, sondern sogar innerhalb der EU. Eine Initiative fordert nun europaweit einheitliche Höchstwerte.
Bei den Reaktorunfällen Tschernobyl und insbesondere in Fukushima existierten für Lebensmittel deutlich schärfer gefasste radioaktive Grenzwerte als derzeit in der EU. Diese Tatsache hat die Verbraucherorganisation Foodwatch alarmiert. Insbesondere kritisieren ihre Mitglieder, dass die tolerierten Grenzwerte hierzulande im Falle eines Reaktorunfalls von der Kommission in Brüssel noch erhöht und somit einfach angepasst würden. Besagte Grenzwerte gelten in erster Linie für die Cäsiumbelastung der Lebensmittel. Die Isotope des Elements, Cäsium-134 und Cäsium-137, haben mit zwei und dreißig Jahren eine relativ große Halbwertszeit.
Mit japanischen Produkten ist die EU übrigens weitaus strenger als mit ihren eigenen Lebensmitteln. So hat die EU sämtliche in Japan herrschenden Grenzwerte für die radioaktive Belastung von Lebensmitteln für japanische Importprodukte übernommen. Laut diesen dürfen Säuglingsnahrung und Milchprodukte mit höchstens 50 Becquerel Cäsium pro Kilogramm belastet sein, bei anderen Nahrungsmitteln wird maximal der doppelte Wert toleriert.
Foodwatch spricht von einem „Grenzwert-Chaos“ in Europa, da hier mit dreierlei Regelwerken gearbeitet wird. Diese These hat auch das Bundesumweltministerium eingesehen. Dessen Sprecher, Jürgen Maaß, berichtete von einer im August 2011 gestarteten Vereinheitlichungsinitiative aus Brüssel, durch welche die aktuelle Regelung verbessert und zugleich vereinfacht werden soll.
Im Falle einer Katastrophe würden europäische Grenzwerte entschärft
Die japanische Regierung hat auf den Vorfall in Fukushima mit neuen Grenzwerten für die Radioaktivität in Lebensmitteln reagiert. Schon die bis zum März 2011 in Japan geltenden Grenzwerte erlaubten geringere Belastungen als in Europa. Im April desselben Jahres, unmittelbar nach der Katastrophe, wurde der tolerierte Höchstwert noch einmal herabgesetzt.
Europa wurde erstmals im Mai 1986 durch den Super-Gau in Tschernobyl auf eine notwendige Höchstgrenze für die Lebensmittelbelastung aufmerksam und übernahm die in der Ukraine und in Weißrussland geltenden Richtlinien. Die sogenannte Tschernobyl-Verordnung ist bis heute aktuell und wurde bis ins Jahr 2020 verlängert. Käme es innerhalb der EU jedoch zu einer erneuten Krise, würde ein ganz anderer Maßstab für Nahrungsmittel angelegt. Dann träten Grenzwerte in Kraft, die ein Vielfaches von denen in Japan betragen.
Rechtfertigung für veraltete Notfallversorgung
Jede Strahlenbelastung kann bei einem Menschen potenziell Krebs auslösen. Daher spricht sich Foodwatch für einheitliche Grenzwerte bei Lebensmitteln aus, die auch im Falle einer Katastrophe für möglichst wenig oder gar keine Belastung der Menschen sorgen.
Zu Zeiten von Tschernobyl hatte die relativ milde Regelung den Sinn, die Bevölkerung weiterhin mit ausreichend Lebensmitteln zu versorgen. Damit ist der rund 20 Jahre alte Notfallplan nicht mehr auf dem aktuellen Stand, denn dank der zunehmenden Globalisierung könnten heute im Falle einer neuen Nuklearkatastrophe unbelastete Produkte in die EU importiert werden.
Sollte die aus Brüssel stammende Initiative zur Vereinheitlichung der europäischen Grenzwerte sich durchsetzen können, würden die aktuell herrschenden Grenzwerte überprüft. Wie hoch die Erfolgschance ist, kann jedoch selbst das Bundesumweltministerium noch nicht sicher voraussagen.
Besondere Vorsicht ist bei Pilzen geboten
Schon eine Übernahme der seit April 2011 verschärften japanischen Grenzwerte wären für die EU ein echter Fortschritt, so Foodwatch-Sprecher Martin Rücker. Für die Experten des Umweltinstituts München befinden sich selbst diese Werte jedoch noch an der absoluten Obergrenze. Sie raten, den Höchstwert für die Radioaktivität in Lebensmitteln auf höchstens 30 bis 50 Becquerel Cäsium pro Kilogramm für Erwachsene und maximal 20 Becuqerel für Kinder sowie schwangere und stillende Frauen festzulegen.
In der 2011 erschienenen „Waldproduktliste“ des Münchener Umweltinstituts ist erkennbar, dass in Pilzen mit Abstand mit der höchsten Cäsiumbelastung zu rechnen ist. In Regionen, die nach dem Unfall in Tschernobyl eine deutliche Belastung aufzuweisen hatten, fanden Forscher nicht selten mehr als 600 Becquerel pro Kilogramm. So wurden Maronenröhrlinge, Pfifferlinge und Steinpilze aus Marktoberdorf und aus der Steiermark in Österreich getestet. Der Spitzenreiter wies sogar 2505 Becquerel auf und liegt somit um rund ein Fünfzigfaches über den wünschenswerten Höchstwerten. Zum Vergleich wurden in der gleichen Region auch Waldbeeren getestet. Sie weisen zufriedenstellende Werte von unter 50 Becquerel pro Kilogramm auf.
Tschernobyl ist noch heute das größere Risiko
Die Lebensmittelkontrolleure von Importprodukten testen noch immer in erster Linie Waren aus Russland, Weißrussland und der Ukraine. Zudem kontrollieren sie Stichproben bei Lebensmitteln aus Gebieten wie der Türkei, in denen sie ein erhöhtes Risiko erwarten. Dieses Risiko ergibt sich aus der Windrichtung zum Zeitpunkt des Reaktorunfalls 1986. Insbesondere werden solche Produkte untersucht, die die radioaktive Strahlung besonders gut aufnehmen. Dazu zählen neben Pilzen auch Nüsse und Tee. Ein weiterer Fokus liegt auf Grundnahrungsmitteln. Da sie in großen Mengen gegessen werden, hätte eine hohe Belastung dieser Nahrungsmittel eine bedeutende Auswirkung.
Im Gegensatz zu Tschernobyl ist der Reaktorunfall in Fukushima hierzulande keine wesentliche Risikoquelle. Dies liegt nicht nur an der geographischen Entfernung: Die Importe von Nahrungsmitteln aus Japan halten sich gering. Die wenigen Produkte, die nach Europa kommen, müssen sich an den in Japan herrschenden Grenzwerten für radioaktive Belastung orientieren – und somit die derzeit weltweit härtesten Vorgaben erfüllen.
Entgiftung mit Zeolith
Zeolith fand schon seine Anwendung im Jahr 1986 nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Er diente damals es als Ionentauscher zur Reinigung der radioaktiv hoch belasteten Abwässer. Zusätzlich erfolgte eine Beimischung des Minerals in das Viehfutter. Die damit gefütterten Wiederkäuer schieden dadurch radioaktive Cäsium-Kationen mittels Ionenaustauschverfahren aus.