Das Ausschalten digitaler Geräte wird als Lösung gepriesen. Werden Tablet, Smartphone und andere digitale Geräte in den Ruhemodus versetzt, geht das Leben dennoch weiter. Trotzdem tun sich viele Menschen mit einem digitalen Entzug sehr schwer.
Manche Anwender versehen ihre E-Mails einfach mit dem Zusatz: „Unsere Mails werden um 7.30 Uhr sowie um 18.30 Uhr bearbeitet“. Von anderen Nutzern wird jedoch zu drastischeren Methoden gegriffen, indem sie sich eine Digital-Detox-Kur verordnen. So gibt es mittlerweile eine Vielzahl von entsprechenden Anbietern, zu denen auch Detox-Coaches gehören.
Den digitalen Konsum zurückschrauben
Zu den Pionieren des Digital Detox zählt die ehemalige deutsche Managerin Ulrike Stöckle. Sie übernahm die Idee dieser Methode aus dem kalifornischen Silicon Valley für die deutschsprachigen Länder. Ihre Motivation ist dabei das Zurückschrauben des Digitalkonsums auf ein geringeres Maß, das besser verträglich für die Menschen ist. Lange Zeit war Ulrike Stöckle selbst rund um die Uhr zu erreichen. Irgendwann sah sie sich außerstande, abzuschalten. Nun zeigt sie verschiedenen Unternehmen Alternativen für deren Mitarbeiter auf.
Kleinigkeiten oft hilfreich
Der Handlungsbedarf bezüglich des digitalen Konsums ist groß. So wurde durch Studien bewiesen, dass manche Mitarbeiter lediglich elf Minuten für ein bestimmtes Projekt tätig sind. Bis zum erneuten Erreichen des Workflow vergehen bis zu 16 Minuten. „Kein Mitarbeiter schaltet sein Mobiltelefon aus eigenem Antrieb ab. Aus diesem Grund ist vielen Unternehmen klar, dass Handlungsbedarf in ihren Firmen besteht“, so Ulrike Stöckle. Dabei helfen oft Kleinigkeiten. Dazu gehören zum Beispiel Meetings ohne Laptops und Handys. Auch eine Kantine, in denen Mobiltelefone tabu sind, wird von Unternehmenscoach Stöckle empfohlen.
Zeitfenster einplanen
Eine weitere Möglichkeit ist das Laden von Apps auf PC oder Handy. Mit deren Hilfe kann der Anwender eine Übersicht über seinen Medienkonsum erhalten. Viele Menschen bemerken überhaupt nicht, wie viel Zeit sie beim Surfen durch das Internet vergeuden. Als Digital-Detox-Polizei sieht sich Ulrike Stöckle jedoch nicht. Vielmehr möchte sie die Mitarbeiter von ihrer permanenten Air-Push-Arbeit abbringen.
Zu diesem Zweck sollten auch bewusste Zeitfenster zum Beantworten von E-Mails eingeplant werden. Ulrike Stöckle betrachtet dies als pure Übungsangelegenheit. Zahlreiche E-Mails brauchen nicht sofort beantwortet zu werden, manche Mails sogar überhaupt nicht. Während des Urlaubs sollte das E-Mailprogramm auf Empfehlung der Expertin so eingestellt werden, dass während dieser Zeit das automatische Löschen der Mails erfolgt. Idealerweise geht die Führungsebene der Firma mit gutem Beispiel voran.
Gesunde Mitarbeiter wichtig
Nach Meinung von Ulrike Stöckle wollen die meisten Unternehmen lieber gesunde Mitarbeiter als willenlose Sklaven. Allerdings gibt es auch zahlreiche Firmen, die zu diesem Zweck kein Geld ausgeben wollen. So stellen sie keine finanziellen Mittel zur Verfügung, damit die Angestellten häufiger auf ihr Mobiltelefon verzichten. Oftmals ist erst eine umfangreiche Erklärung nötig, um den Unternehmen die negativen Folgen von unkonzentrierten Mitarbeitern klarzumachen. Den Angestellten das Nutzen von sozialen Netzwerken zu verbieten, hält Ulrike Stöckle nicht für sinnvoll. Besser sei es dagegen, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, um einen zweckmäßigeren Konsum zu erreichen.
Genau hinsehen
Ein Problempunkt ist nach Ansicht von Dominik Betty´any, der an der Wiener Siegmund-Freud-Universität das Institut für Verhaltenssüchte leitet, das Fehlen eines strukturierten Umgangs mit den digitalen Medien. Auch er empfiehlt, genauer beim Konsum von E-Mails hinzusehen. So gilt zunächst vieles als dringend, was sich jedoch später als unwichtig herausstellt. Allerdings sind die Forscher noch immer damit beschäftigt, herauszufinden, wie viel Konsum denn nun wirklich schädlich ist. Ob aus beruflichen oder privaten Gründen spielt dabei keine Rolle. Bedeutender als der Aufwand an Zeit ist die Motivation des Nutzers und welche Funktionen er damit erfüllt.
Tipps für geringeren Digitalkonsum
Von der Bestsellerautorin und Digitaltherapeutin Anitra Eggler, die das Buch „E-Mail macht dumm, krank und arm“ herausbrachte, gibt es einige simple Anregungen, um sinnloses Surfen im Internet zu reduzieren. So rät sie dazu, sämtliche akustischen und optischen Warnhinweise abzuschalten und das automatische Übermitteln von neuen Nachrichten zu unterbinden. Zum Beispiel sollte der Mitarbeiter kein Telefon benutzen, um mitzuteilen, dass er nicht ans Telefon geht. Außerdem empfiehlt Anitra Eggler, auf der Mailbox keinen sofortigen Rückruf anzukündigen.
E-Mail-Bearbeitungszeiten
Die Digitaltherapeutin spricht sich auch für konstante E-Mail-Bearbeitungszeiten aus. Außerhalb der Büro-Öffnungszeiten wird das Mailprogramm geschlossen. Ferner gilt es, die Mails stets auf einen Schlag abzuarbeiten. Auch klare Regeln und Zeiten für das Surfen sind wichtig. Zum Beispiel sollte der Nutzer sich nicht mehr als drei Klicks von der Zielseite entfernen. Mithilfe von Tools wie Rescuetime.com kann sich der Mitarbeiter einen Überblick über sein Surfverhalten verschaffen. Anitra Eggler spricht aus Erfahrung. So hat sie selbst jahrelang Kommunikationsdruck auf ihre Mitarbeiter ausgeübt und war permanent auf Empfang. Dadurch vergeudete sie viel Zeit, die sie besser hätte nutzen können.
Apps oft hilfreich
Gemäß einer Studie der Berliner Humboldt-Universität wird ein Smartphone durchschnittlich 63-mal am Tag für eine Dauer von 2,49 Minuten aktiviert. Mithilfe der App Offtime kann jedermann sein eigenes Kommunikationsgebaren überprüfen. So liefert die App eine detaillierte Übersicht über die eigenen Aktivitäten.