Geowissenschaftlern ist schon seit längerer Zeit bekannt, dass Wasser nicht nur in drei Aggregatzuständen wie fest, flüssig und gasförmig vorkommt. So sind auch in bestimmten Mineralen einige Gewichtsprozente an Wasser enthalten. Dazu gehören u. a. Opal, Türkis und Zeolithe.
Ebenso befinden sich tief im Inneren der Erde Gesteine, bei denen eine Bindung von umfangreichen Wassermengen besteht. Für die Bildung des Vulkanismus über den Subduktionszonen, die an den Kontinentalrändern entlang verlaufen, ist das Wasser überaus wichtig. Unterhalb von Nordamerika fanden US-Forscher einen regelrechten „Ozean“ aus Wasser. In diesem kommt das Wasser jedoch nicht als unterirdischer See in Flüssigform vor. Vielmehr bindet es sich in dem Mineral Ringwoodit, das zu den Olivinen zählt.
Seltsame Zonen im Erdmantel
Greifen Erdbebenforscher zum Durchleuchten des Erdinneren auf seismische Wellen zurück, entdecken sie dabei wiederholt seltsame Zonen innerhalb des oberen Erdmantels. So kommt es in einer Tiefe von 400 bis 700 Kilometern zu einer deutlichen Veränderung im Ausbreitungstempo von Erdbebenwellen. Chemische Veränderungen innerhalb der Gesteine treten in diesem Tiefenbereich jedoch nicht auf. Von Geowissenschaftlern werden die Schichten Übergangszonen genannt. Der erhebliche Gebirgsdruck, der in diesen Bereichen herrscht, bewirkt eine Veränderung der Kristallstruktur der Olivine im oberen Erdmantel. Eine Änderung der chemischen Zusammensetzung findet allerdings nicht statt. Dieser Vorgang führt dazu, dass die Olivine zu festeren Gesteinen werden.
Einsatz von seismischen Sensoren
Die physikalischen Abläufe in diesen Schichten des Erdmantels wurden von den Wissenschaftlern noch längst nicht vollständig verstanden. Aus diesem Grund konzentriert sich die Forschung verstärkt auf die Übergangszonen. Die jüngsten Auswertungen beruhen auf den Messresultaten eines seismischen Großexperiments, das bislang einzigartig ist. In einem Zeitraum von zehn Jahren richteten Forscher bei der Durchführung des Projekts US Array in den USA ein Netz ein, welches über 400 Erdbebenstationen umfasste. Im Laufe der Jahre zog sich dieses Netz von der Westküste der Vereinigten Staaten zur Ostküste an den Atlantischen Ozean hin. Für ca. zwei Jahre verblieben die seismischen Stationen an einem bestimmten Ort. Danach wurden sie abgebaut und erhielten weiter im Osten eine neue Position.
Mineral unter Druck
Diese Vorgehensweise sorgte für das Entstehen eines einmaligen Erdbebenkatalogs unterhalb der USA. Aber auch in anderen Gebieten der Erde wurden tausende von Erdstößen von den seismischen Sensoren registriert. Dabei durchleuchteten die Geräte die nordamerikanischen Gesteine wie ein Röntgenapparat. Im Rahmen der Forschung wurde entdeckt, dass in einem Tiefenbereich von ca. 660 Kilometern eine besondere Ausprägung der nordamerikanischen Übergangzone besteht.
In dieser Zone vermuten die Forscher das Vorhandensein des wasserhaltigen Minerals Ringwoodit. Bei Labortests wurde das Ringwoodit einem hohen mechanischen Druck ausgesetzt. Dadurch wollten sich die Forscher Klarheit über das mechanische Verhalten des Minerals verschaffen. Mithilfe von Computersimulationen wurde festgestellt, dass im Ringwoodit bis zu drei Gewichtsprozent Wasser vorkommen können. So besteht die Wahrscheinlichkeit, dass sich im nordamerikanischen Ringwoodit fast genauso viel Wasser bindet wie in den Ozeanen.
Verformungen
Kommt es im Ringwoodit zum Herauspressen eines Teils des Wassers, führt dies zu einer Verformung des umgebenen und weitaus trockneren Gesteins. Zum Teil kann es sogar schmelzen. Nach Ansicht der Forscher handelt es sich bei diesem Vorgang um eine bedeutende Antriebskraft für das zähflüssige Bewegen des Gesteins innerhalb des oberen Erdmantels.